rainer alfred auer
nach dem besuch der kunstgewerbeschule zürich ende der fünfziger jahre malte rainer alfred auer neorealistische stillleben und bildnisse. es folgten auftragsarbeiten als freier illustrator für die zeitschrift elle.
in den sechziger jahren entdeckte er die pop art, welche durch ihre banale, alltagsbezogene thematik seinem anliegen, eine realitätsbezogene kunst zu schaffen, besser entsprach. seine bevorzugten sujets waren das auto, astronauten, der vietnamkrieg und die atombombe sowie berühmte schöne frauen. seine maschinelle malerei nimmt es mit jener von andy warhol auf; sein schrifteinsatz ist so souverän wie jener von roy liechtenstein. andy warhols marilyn monroe war bei alfred auer das europäische synonym: brigitte bardot, oder in alfreds worten «s’brigittli». mit seinen werken hat auer einen wichtigen beitrag zur schweizer pop art geschaffen.
iich kann nur bis 4 zählen,
dafür unheimlich kompliziert.
rainer alfred auers happenings anfangs der siebziger jahre waren zeittypisch: die kriminalaktion, die «aktion wir zählen», die prismenbrille im zeitalter von lsd. mit seiner prismenbrille wollte auer die bisherigen visuellen erfahrungen mit möglichkeiten konfrontieren, die eine geistige und psychische neueinstellung dem sehen gegenüber erforderlich macht. in der «aktion wir zählen» liess rainer alfred auer suppenbuchstaben zählen und die resultate samt zeitaufwand in eine liste eintragen.
im anschluss folgten experimentelle objekte, environnments und aktionen. in den siebziger jahren erweiterten sich die arbeiten mit prismenbrillen zu systematischen farbuntersuchungen. dabei war der 60teilige farbkreis die ausgangslage ebenso für intensive farbkontraste wie auch für feinfühlige farbabstufungen. darin zeigt sich immer eine ordnung; auch wenn diese auf den ersten blick nicht erkennbar ist.
neben der malerei war für ihn auch das plastische arbeiten von bedeutung. ab 1973 erhielt er eine reihe wichtiger aufträge im kunst-am-bau bereich. im gegensatz zu seinen bildern sind die verschiedenen variations- und entwicklungsprozesse der kunst-am-bau objekte nicht als serie gestaltet, sondern jeweils in einem werk zusammengefasst.
als 40jähriger wandte sich rainer alfred auer ganz der konkreten kunst zu. diese kunstform war für ihn die möglichkeit und der antrieb, eine geordnete welt zu schaffen. hier konnte er geregelte verhältnisse definieren, systematiken durchdeklinieren, strukturen festlegen, eine klarheit schaffen, die sich vom chaotischen der realität unterscheidet. seine bilder sind visionen absoluter ordnung, zusammengesetzt aus einfachen geometrischen formen und reinsten farben. die grundelemente sind linien, schrägen und flächen. die farben sind aufs minimale reduziert; die primär- und sekundärfarben. ordnungsgefüge, systematische reihungen, spiegelungen und symmetrische verschiebungen faszinieren ihn. darin entwickelte er seine eigene, dynamische bildsprache. seine bilder sind systematisch von einem rationalen programm abgeleitet. grundlage dafür bildeten die teilung von flächen, wobei das quadrat und die vierteilung bzw. vervierfachung die grundeinheit bildeten.
auf papier spielte er ganze variationsprogramme durch. unter diesen x-hundert möglichkeiten wählte er unter berücksichtigung verschiedener aspekte aus, welche davon er weiterbearbeiten wollte. damit unterscheidet er sich vom konzeptkünstler sol lewitt, welcher alle stufen seiner seriellen arbeit gleichwertig nebeneinder stellt. bei alfred auer ist das endprodukt eine ausgewählte farb- und formenkonstellation, ausgewählt auch nach gefühlsmässigen kriterien. und das macht es wohl aus, dass für den betrachter als optischen laien die systematische ordnung nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbar ist. auer realisierte seine werke mit äusserster genauigkeit und erreichte eine intensive klarheit, die seinen bildern einen hauch unnahbarer kühlheit verleihen. weder pinselstrukturen noch irgendwelche unregelmässigkeiten in der linienführung weisen auf die manuelle herstellungsart hin. formen und farben wurden zur grösstmöglichen reinheit gesteigert.
die hunderttausend möglichkeiten, formen und farben in immer neuen konstellationen zu bildern zusammenzusetzen, trieben ihn vorwärts, liessen ihm keine ruhe. bereits realisierte werke interessierten ihn nur noch wenig. die ideen, welche er laufend produzierte, mit deren realisierung er niemals schritt halten konnte, verleiteten ihn in den 80igern, einen handcomputer zu entwickeln: auers handy. das war nichts elektronisches sondern konkretes, handfestes. ein quadratischer rahmen, 1 x 1 meter gross, in den je ein etwa 10 meter langer papierstreifen von oben und von der seite eingeschoben wurden. auf diesen durchsichtigen streifen waren verschiedenste varianten von schrägstrichen eingezeichnet. durch das verschieben der beiden übereinander liegenden streifen ergaben sich insgesamt 65’000 bildvariationen. dafür bräuchte man jahre, um diese zu zeichnen.
rainer alfred auer zählt zu den kreativsten, eigenständigsten und vitalsten konkreten. eine generation früher waren dies max bill, richard paul lohse, camille graeser und verena loewensberg. auers werke zeichnen sich durch eine strukturelle komplexität und eine betonte dynamik aus. der eindruck basiert einerseits auf der verwendung der schrägen. dadurch unterscheiden sich auers bilder denn auch massgeblich von einem grossen teil konkreter bilder. andererseits ist die komplexität auf die tatsache zurückzuführen, dass auer von einem logisch nachvollziehbaren gestaltungsprinzip ausging, dieses jedoch innerhalb einer bildserie mittels drehung, positiv-negativ-umkehrung, addition etc. derart verdichtete, dass die lineare grundstruktur kaum noch erkennbar ist. diese kompromisslosigkeit und diese klarheit korrespondieren absolut mit der coolness der heutigen lebensform.
sein gestaltungsprinzip zusammenfassend sagte rainer alfred auer: «ich kann nur bis vier zählen, dafür unheimlich kompliziert.»
lebenslauf
1937 | geboren in wartau/sg, aufgewachsen in winterthur |
1953-55 | lehre als chemielaborant |
1956-57 | kunstgewerbeschule zürich |
1959 | neorealismus |
seit 1959 | gruppen und einzelausstellungen preise und ankäufe bei kunst am bau-wettbewerben arbeiten in öffentlichen und privaten sammlungen |
1964 | pop bilder, objekte |
1965 | freier illustrator der zeitschrift elle |
1969 | experimentelle objekte, environments, aktionen |
1972 | systematische farbtafeln |
1973 | mitbegründer und leiter der künstlergalerie ge |
1976-97 | lehrauftrag an der kunstgewerbeschule zürich |
seit 1977 | serien und bildprogramme konstruktiver art |
1986 | mitglied der künstlergruppe winterthur |
1988 | mitglied der gruppe x |
2012 | gestorben in winterthur |
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stipendien und preise
1959 | kunststipendium des bundes, aufenthalt in barbengo/tessin |
1961 | kunststipendium der stadt winterthur, studienaufenthalt in paris |
1964/72 | reisestipendium des kunstvereins winterthur |
1967 | förderpreis der steo-stiftung |
1968/73 | kunststipendium des kantons zürich |
1978 | wettbewerb stadttheater winterthur, 2. preis |
1984 | wettbewerb turnhalle am rennweg, winterthur, 2.preis |
2007 | kunstpreis der cari heinrich ernst stiftung, winterthur |